Kritische Bildungsarbeit im Neoliberalismus
Entlang intersektional-feministischer, migrationspädagogischer und postkolonialer Ansätze, sowie auf Basis von Interviews mit Lehrenden, formuliert Corinna Widhalm Kriterien für selbstermächtigenden Unterricht und stellt dabei Wissenskritik, Selbstreflexion und -kritik und – daraus abgeleitet – (pädagogische) Handlungsperspektiven ins Zentrum. Unter Bezugnahme auf Bildungsarbeit seitens migrantisch-feministischer Vereine, die bestrebt sind, ein emanzipatorisches Bildungsverständnis zu bewahren und zu verteidigen, geht Widhalm der Frage nach, wie Lehrende unter den vorherrschenden strukturellen Bedingungen und entgegen eingreifender, hegemonialer Curricula ihr pädagogisches Handeln reflektieren (können). Es geht viel um Räume der kollektiven Gestaltung, um Zuhören und Verlern-Prozesse. Kritischen Bildungsansprüchen gerecht zu werden, steht dabei im krassen Widerspruch zur Instrumentalisierung von DaZ/DaF (Deutsch als Fremd- und Zweitsprache) als Teil der Herstellung und Reproduktion rassistischer, kapitalistisch-klassistischer und patriarchaler Verhältnisse und Arbeitsmarktpolitiken. Einen Bildungsanspruch zu verfolgen, der von paternalistischen und verwertungsorientierten Unterrichtskonzepten und Logiken absieht, soziale Gerechtigkeit ins Zentrum stellt und sich inhaltlich an den Interessen, den Lebensrealitäten und den Erfahrungen der Teilnehmerinnen orientiert, hat auch viel mit der Hinterfragung und Politisierung der eigenen gesellschaftlichen Positionierung von Wissen und Privilegien zu tun. Sprachliche Interventionsmöglichkeiten wie der Einsatz des hegemonialen Sprachgebrauchs als Sabotageakt gegen herrschende Verhältnisse, stellen Praxen dar, die Widhalm in ihrem Buch genauer beleuchtet. Große Empfehlung!
Nima Obaro
Corinna Widhalm: Selbstermächtigender Unterricht im Kontext von DaF/Z. 126 Seiten, Praesens Verlag, Wien 2020, EUR 26,00