Leben nach dem Ende?

Wien? Eine Stadt in Trümmern. Das urbane System ist zerbrochen, was bleibt, sind Einzelteile, ver-einzelte Akteur_innen, die höchstens zu zweit oder in kleinen Gruppen – ja was? – ihren Tod hinauszögern oder wenigstens den Zeitpunkt selbst bestimmen, überleben, oder doch leben wollen? Karin Peschka erzählt in ihrer „Autolyse Wien“ in quasi Nahaufnahme Geschichten von Menschen, die in einem postapokalyptischen Wien im und aus dem Exitus des sozialen Körpers heraus existieren. Sprachlich klar und mit feinsinniger Leichtigkeit, fast sachlich, zeichnet sie Bilder von Menschen in Situationen, die eigentlich nicht das Ende bedeuten, weil das Ende schon stattgefunden hat. Oder? Nachspiel mit Ablaufdatum oder doch auch Neubeginn? Elemente der Zersetzung treten ans Licht, Einzelwesen, die vom Zerfall leben, aber auch Möglichkeiten und Fähigkeiten, die erst durch und in der Zerstörung hervortreten.

Und die Moral von der Geschicht’ – gibt es nicht. Das Ende? Ist immer offen. Die Leser_in möge sich diese vielschichtigen, zum Teil verstörenden Geschichten eines dystopischen und fragmentierten Wiens selbst erlesen. Ein Buch, grandios im Mikroblick, im Fehlen großer Erzählungen durchgehend packend, ein Buch, das ein_e sicher nicht so schnell vergisst. Der Publikumspreis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 2017 ist völlig angemessen. Unbedingt lesenswert!

Lisa Grösel

Karin Peschka: Autolyse Wien: Erzählungen vom Ende. 180 Seiten, Otto Müller Verlag, Salzburg-Wien 2017 EUR 19,00