„Sich verbessern“ als Maxime

„Ein verzweifeltes Mädchen, das Arbeit sucht, macht die Leute reizbar. Ein Dirndl, das sich verbessern möchte, weil es mehr kann, macht die Leute neugierig“ (S. 49f). Diesen Ratschlag erhält Genoveva, eine der Hauptfiguren des Romans, in Wien. Sie wird diesem Ratschlag folgen und mehr aus sich machen, eine eigene Wohnung und Möbel finanzieren. Die wachsende (Alltags-)Macht des Nationalsozialismus und veränderte gesellschaftliche Verhältnisse, sowie letztlich der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, verdunkeln ihre Zukunftschancen. Ein weiterer Erzählstrang ist die Geschichte von Veronique und Leo. Einblicke in das Leben im Wien im 20. Jahrhundert, das Leben und Arbeiten in Kaffeehäusern und Lokalen zeichnen den Roman aus. Zu Beginn stehen die jugendliche Kraft Genovevas und die Verbesserung ihrer Lebenschancen im Vordergrund, gefolgt von der Schilderung sozial- und gesellschaftspolitisch widriger Umstände. Ditha Brickwell beleuchtet individuelle Aufbrüche und soziale Verstrickungen und gewährt Einblicke in Kindheit, Jugend, Erwachsenenleben und Alter im 20. Jahrhundert. Soziale Beziehungen werden durch räumliche Nähe, Nachbarschaft, Verwandtschaft und gemeinsame Arbeitserfahrungen hergestellt. Gehörte Nachrichten werden weitergegeben, was sich insbesondere im Zweiten Weltkrieg als (über-)lebensnotwendig zeigt. Die Vielzahl der handelnden Personen weckt eine historische Erinnerung an Vielvölkerstaaten, die zu Geschichte/-n geworden sind.
Gerlinde Mauerer
Ditha Brickwell: Engeltreiber. 474 Seiten, Drava Verlag, Klagenfurt 2023 EUR 25,50