Wut tut gut – Anleitung zum Wütendsein

„In unserer Gesellschaft gibt es keinen Platz für die Wut von Frauen. Außer Sie zahlen 150 Euro und gehen in einen geschlossenen Raum dafür.“ Mit diesen beiden Sätzen bringt die Autorin das bestehende weibliche Wut-Tabu auf den Punkt. Sehr viel mehr Frauen als Männer nützen bezahlte ‚Wuträume‘, um ihrer Wut mit Schreien und Geschirr-Zerschlagen freien Lauf zu lassen, schonend für alle anderen, hinter verschlossenen, schalldichten Türen. Wut ist nicht böse, sondern ein menschliches Gefühl, das konstruktiv sein und für Veränderung genützt werden kann. Frauen empfinden nicht weniger Wut als Männer, sondern ihnen wird häufig das Recht darauf, ihre Wut auszudrücken, verwehrt. Wir alle fühlen Ärger. Ihn auszudrücken, ohne gesellschaftliche Sanktionen zu erleben, ist ein Privileg, das vor allem weißen, heterosexuellen Cis-Männern vorbehalten ist. Wer wütend sein darf, hat Macht. Wer es nicht sein darf, wird diszipliniert. Wut hat viel mit dem eigenen Selbstwert zu tun: Wie viel bin ich mir selbst oder sind mir andere wert, um mich für Ziele einzusetzen? Ciani-Sophia Hoeder begibt sich auf Spurensuche nach wütenden Frauen, die unsere Geschichte und Popkultur geformt haben. „Eine lächelnde Frau kann sich nicht gegen sexuelle Belästigung wehren“ nennt die Autorin ein Kapitel, um deutlich zu machen, dass die weibliche Sozialisation zum Niedlich-und-Freundlich-Sein die Handlungsfähigkeit beschränkt. Wut kann als Katalysator für die Entwicklung einer gerechten Gesellschaft wirken. Daraus ergibt sich die vielleicht wichtigste Frage zum Weiterdenken: Wie wird aus Wut Mut zur Veränderung?
Bettina Zehetner
Ciani-Sophia Hoeder: Wut und Böse. 240 Seiten, Hanserblau, München 2021 EUR 18,50