Zwei Linsen
Anna ist Biologin in Zürich und beschäftigt sich in ihrer Forschungswelt mit symbiotischen Konstellationen von Algen und Pilzen und schaut sich die Welt durch ein Mikroskop an. Sie und ihre Schwester Leta, die Fotografin ist, sind eineiige Zwillinge, was bereits in ihrer Kindheit zu Konfliktpotenzial führte. Nachdem seinerzeit Leta aus unvermitteltem Zorn Anna gebissen hat, trägt Anna eine Narbe im Gesicht. Aus diesem Grund hat ihr Vater Leta eine Kamera geschenkt, die sie seither leidenschaftlich für Portraitfotos von Anna verwendet hat. Bei einer Fotografieausstellung von Leta kommt es zum Streit zwischen den Schwestern, da Annas Narbe von Leta auf sämtlichen dort mit Anna präsentierten Fotos wegretouchiert wurde. Bei einer Forschungsreise nach Finnland wird Anna bewusst, was die wesentlichen Dinge in ihrem Leben sind und sie erkennt, dass das Verständnis für andere eine wichtige Eigenschaft ist, um zuversichtlich nach vorn schauen zu können und im eigenen Leben selbstbestimmter zu werden. Jede Identität braucht ein Gegenüber! Der Debütroman ist in einer berührenden Sprache verfasst, die Wahl der Metaphern ist abwechslungsreich und deutungsintensiv.
Antonia Laudon
Barbara Schibli: Flechten. 192 Seiten, Dörlemann, Zürich 2017 EUR 21,60