Syrien um 1900
Gertrude Bell, britische Historikerin und Archäologin, reist 1905 nach Syrien. In dieser Zeit allein als Frau zu reisen war äußerst unkonventionell, insbesondere in den Nahen Osten. So war Bell die erste Europäerin auf syrischem Boden – vor ihr waren nur wenige Männer in dieses Gebiet vorgedrungen. Unerschrocken begibt sich die Forschungsreisende auf den Weg, um die Menschen und Kulturen dieser Region kennenzulernen; ihre guten arabischen Sprachkenntnisse und ihr unerschöpfliches Interesse erleichtern dieses Vorhaben. Schnell ist sie bei verschiedenen, teils verfeindeten, Stammesführern bekannt, wird als ebenbürtiger Gast empfangen und philosophiert bei Kaffee und Zigaretten mit den Männern über Politik und Wirtschaft. Fremde Frauen lernt sie kaum kennen, da die Geschlechtersphären getrennt sind und Frauen deshalb nicht an den Zusammenkünften teilnehmen. Sie scheint sich auch nicht besonders für die anderen Frauen zu interessieren, was schade ist. Stattdessen beschäftigt sie sich intensiv mit den politischen Strukturen und Machtkonstellationen, der Geografie, Architektur und Wirtschaft der bereisten Gegend. Der Reisebericht bietet, illustriert mit einigen Fotos, einen umfangreichen Einblick in das Syrien zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Mitunter sind die detaillierten Beschreibungen der Gegend etwas langatmig, werden aber von lebhaft erzählten Geschichten und direkt wiedergegebenen Unterhaltungen aufgelockert.
Rebecca Strobl
Gertrude Bell: Am Ende des Lavastromes. Durch die Wüsten und Kulturstätten Syriens (1905). Hg. von Gabriele Habinger. 302 Seiten, Promedia Verlag, Wien 2015 EUR 24,00