Vom Hin- und Wegschauen
Es geht um Wahrhaftigkeit und die hegemonialen Gewaltstrukturen, -exzesse des alltäglichen Durchsetzens eines wahren Geschlechtskörpers. T/HE/Y Autor_n, Sozialwissenschaftlerin und Kriminologin, betritt damit kein unbekanntes Terrain. Berichte sogenannter nonkonformer Persona sollen die Dringlichkeit der Widerstandsbedingtheit erzählen. Die Beweislast wird den Betroffenen anheimgestellt. Es wird in Sprache gebracht, die Realität erzeugt (Gewalt). Hier folgt t/he/y den seit den 90er Jahren geführten Diskursen der Ansprache (Althusser), der Marginalisierung (Foucault), des Endes der Normalität (Halberstam) u.v.a.m. Interessant ist die Frage, was Gewalt ist und wie sie umgesetzt wird, anstatt den Ursachen nachzugehen und damit unweigerlich im Opfer/Täte_nen-Diskurs stecken zu bleiben. Ein Perspektivenwechsel, der weder in der deutschen noch in der internationalen Kriminologie sichtbar wird. Die Studie versucht diesen Gap zu schließen, zumindest den Hinweis auf Diskriminierung und (nicht-physische) Gewalt gegen geschlechtlich veränderte Subjekte gewahr werden zu lassen. T/HE/Y Autor_n denkt den Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher Mikro- und Makroebene und analysiert die Materialisierung gewaltvoller Verhältnisse in sozialen, juridischen, politischen Praktiken. Die Gruppe geschlechtlich nonkonformer Befragter mit entsprechenden biografischen Erfahrungswelten bietet aufgrund ihres Fachwissens die Chance, über klischeeformende Aussagen hinauszugehen. Im Vordergrund der wechselseitigen Auseinandersetzung stand die alltägliche Auseinandersetzung und das Überleben in bestehenden Grenzregimen. Empfehlenswert ist die Studie im Hinblick auf diesen qualitativen Ansatz. Er benennt den panoptistischen Blick (Foucault) der heteronormativen Kontrollgruppe im Hintergrund, ohne diesem Raum zu geben, und lässt die Erzählungen des Begehrens nach Sichtbarkeit, Anerkennung, nicht jedoch nach Konformität zur Sprache kommen. Joshua Taubert
Ines Pohlkamp: Genderbashing. Diskriminierung und Gewalt an den Grenzen der Zweigeschlechtlichkeit. Wissenschaftliche Studie. 421 Seiten, unrast, Münster 2014 EUR 24,70