Wo Unrecht zu Recht wird – eine Anklageschrift

Das Autorinnenkollektiv Meuterei bestehend aus Aktivistinnen, Fluchthelferinnen, Juristinnen, Migrations- und Politikwissenschaftlerinnen sieht sich als Teil der Gesellschaften, die zur Errichtung der Festung Europa geführt haben und die daher in einer besonderen Verantwortung stehen, um diese zu kritisieren und zu bekämpfen. Unser hoher Lebensstandard (durchschnittlicher jährlicher CO2 Verbrauch liegt bei neun Tonnen) ist ein Grund dafür, dass immer mehr Landstriche des globalen Südens unbewohnbar werden und die dort lebenden Menschen zur Flucht gezwungen sind. Ob Krieg, Verfolgung, Armut oder die Klimakatastrophe – die Schutzsuchenden fliehen, um ein lebenswertes Dasein führen zu können. Die weiblichen cis Autorinnen analysieren genauestens die verschiedensten Fluchtrouten, die vom globalen Süden nach Europa führen und wie viel menschliches Leid von den unterschiedlichen europäischen Grenzregimen dabei gegenüber den Schutzsuchenden produziert wird. Pull Back- und Push Back-Praxen, die rechtlich keinerlei Grundlage besitzen und von Höchstgerichten bereits massiv angeprangert wurden, werden tagtäglich fortgesetzt. Ein weiterer Inhalt des Buches ist die Untersuchung, wie Flüchtende innerhalb der EU in den Medien und von der Justiz kriminalisiert und entrechtet werden, wobei die Genfer Flüchtlingskonvention zunehmend ausgehebelt wird. Abschließend dient die Anklageschrift dazu, die Vision einer europäischen Transformation zu beleben, in der die formale Abstammung hinfällig ist und das Zusammenleben der unterschiedlichsten Menschen im Mittelpunkt steht. Ausgiebiges Datenmaterial und Informationen werden geboten, die für alle, die noch auf dem Sofa sitzen, den überzeugenden Anstoß liefern, endlich die Flüchtlingsdebatte umzukehren und sich selbst für Schutzsuchende aktiv einzusetzen. Lesenswert!

ML

Grenzenlose Gewalt – Der unerklärte Krieg der EU gegen Flüchtende. Hg. von Lesen ohne Atomstrom. 312 Seiten, Assoziation A, Berlin/Hamburg 2022 EUR 18,50