Zeit der Abrechnung

Die ProtagonistInnen in Flore Vasseurs bitterbösem Gesellschaftsporträt sind seit Jahren mehr oder minder lose miteinander verbunden. Nach der gemeinsamen Studienzeit an einer Pariser Elite-Universität haben sie unterschiedlich Karriere gemacht: Sébastien arbeitet für eine weltweit aktive Investmentbank, Vanessa vertritt in einer Kommunikationsagentur die Interessen ihrer Kunden aus Politik und Wirtschaft, Bertrand versauert als hoher Ministeriumsbeamter, Clara hat als Journalistin ihre Ideale längst verloren, Jérémie verdient sein Geld mit dem wirtschaftlichen Desaster von Staaten und globalen Konzernen. Nur Antoine ist aus dem vorgezeichneten Rahmen gefallen und lebt als Hacker abseits der Eliten. Sie alle sind auf ihre Art funktionierende Rädchen im brutalen kapitalistischen Getriebe. Als einer von ihnen beschließt, die geheimen Machenschaften öffentlich zu machen, mit denen sattsam bekannte Finanzinstitute und politische Akteure im Rahmen der Euro-Einführung aktiv ganze Staatshaushalte manipuliert haben, geraten die Dinge außer Kontrolle. Der „Aussteiger“ stirbt unter mysteriösen Umständen – und es fällt wahrlich schwer, in ihm ein Opfer zu sehen. Die anderen wurschteln weiter – irgendwie. Als Kriminalroman ist „Kriminelle Bande“ nicht wirklich überzeugend, als Sittenbild und Mentalitätsstudie mit erschreckenden Einblicken in die heutige Wirtschafts- und Finanzwelt allerdings schon. Und mit dem so oft beschworenen Mythos von der Schaffung eines vereinten Europa wird gründlich aufgeräumt.  Elke Koch

Flore Vasseur: Kriminelle Bande. Roman. Übersetzt von Christian Driesen. 351 Seiten, Haffmans & Tolkemitt, Berlin 2014EUR 19,95