Abgründe im Ruhrpott

Elisabeth ist 46, lebt in Berlin und arbeitet seit Abschluss ihres Studiums in einem Schreibbüro. Nach dem Tod des Vaters und Auszug der Kinder lebt ihre inzwischen 84-jährige Mutter alleine in dem nun viel zu großen Einfamilienhaus in der deprimierenden Siedlung im Ruhrgebiet. Elisabeth fährt als brave Tochter alle paar Wochenenden mit einem Koffer voll Sanitätsartikeln die lange Strecke zurück in ihren Herkunftsort (der Bruder Egbert spart sich hingegen diese Betreuungsleistung). Leider ist das Mutter-Tochter-Verhältnis nicht gut, die Mutter hat an allem etwas auszusetzen, und dass Elisabeth lesbisch ist kommt auch nicht gut. Außerdem fühlt sich Elisabeth seit einiger Zeit verfolgt.
So weit, so unangenehm. Regina Nössler hat aber nur vordergründig einen Roman über Altern und Betreuungsverpflichtungen verfasst, hintergründig handelt es sich um einen Thriller. Und das Gruseln wächst, je länger sich die Geschichte mit ihren diversen Rückblicken und Perspektiven anderer Beteiligter enthüllt. Der Spannungsaufbau hat Highsmith-Qualität, und mehr wird hier nicht verraten, außer dass ein großartiger Thriller darauf wartet, in einem Stück gelesen zu werden!
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Regine Nössler: Schleierwolken. 314 Seiten, Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke, Tübingen 2017 EUR 12,40