Altwerden ist nichts für Feiglin

Laura Palfrey ist seit kurzem Witwe und infolgedessen, seit kurzem Bewohnerin des Claremont Hotels in London. Dort trifft sie auf ihre ebenfalls betagten, exzentrischen und neugierigen Mitbewohner. Sie erleben dort gemeinsam eine Form von Einsamkeit und einen Mangel an Vorfreude, täglich wiederkehrende Routine und Langeweile. Wichtig für alle und Tagesthema sind Alltagsrituale, die spärlichen Besucher, der sich immer wiederholende Speiseplan, die Befindlichkeiten und Launen der anderen Hotelgäste. Im Wesentlichen dreht sich alles um den Alltag im Claremont und wie dieser von seinen Bewohnern, jeder für sich ein Sonderfall, gemeistert wird. Laura Palfrey, Besseres gewöhnt, sich an Etikette haltend, macht das Beste aus ihrer Situation. Erst durch die Zufallsbekanntschaft mit dem jungen, mittellosen Schriftsteller Ludo hat sie den „Vorzeigeenkel“ für ihre Hotelgesellschaft, den sie sich so sehr gewünscht hat. Die beiden verbindet bald eine unerwartete Freundschaft, bereichernd für die alte Dame, aber auch für den angehenden Buchautor, der sie in seinem Roman als Vorbild verwendet. In „Mrs. Palfrey im Claremont“ wird nichts beschönigt, es geht ums Älterwerden, um die Einsamkeit, ja auch um den näherrückenden Tod, dem mit britisch steifer Oberlippe begegnet wird. Trotzdem oder vielleicht genau deshalb liest man das Buch so gerne.
 Margit Meergraf
Elisabeth Taylor: Mrs. Palfrey im Claremont. Roman. Aus dem Engl. von Bettina Abarbanelll. 256 Seiten, Dörlemann Verlag, Zürich 2021, EUR 25,70