Auf der Suche nach einem guten Leben

Alleinerziehende Migrantinnen widersprechen dem Klischee der Migrantenfamilie, in dem Frauen für die Sorge und das Wohlergehen im Privaten und Männer für den Erwerbsbereich zuständig sind. In der qualitativen Studie erzählen alleinerziehende Frauen aus der Türkei, Somalia, Russland, Iran, Irak, Syrien, Armenien und Thailand über ihre unterschiedlichen Biografien, ihre (oft geschlechtsspezifischen) Gründe für die Migration, ihre Lebensziele, Bildungs- und Berufsverläufe. Es ist die erste wissenschaftliche Untersuchung, die die Familienform alleinerziehend bei Migrantinnen in den Fokus stellt. In den ausführlichen Interviewpassagen wird die Vielfalt der Lebenslagen, Belastungen, Ressourcen und capabilites/Verwirklichungschancen (Martha Nussbaum) der Gesprächspartnerinnen lebendig. Die Handlungsstrategien, die die Interviewpartnerinnen unter schwierigsten Bedingungen entwickeln, sind beeindruckend und demontieren konsequent das mediale Bild der Migrantin als passives, fremdbestimmtes „Opfer“. Mehr als zwei Drittel der Befragten berichteten von teils massiven Gewalterfahrungen durch ihre (Ex-)Partner. Zusätzlich stark belastend erwähnt werden strukturelle und institutionelle Diskriminierungen sowie der Mangel an interkulturell-professionellen Kompetenzen in Beratungseinrichtungen. Hier sind Sozialpolitik und Institutionen gleichermaßen gefordert, die besonderen Situationen, Bedürfnisse und Fähigkeiten von Frauen* mit Migrationserfahrungen wahrzunehmen, zu respektieren und anzuerkennen. Bettina Zehetner, Frauen* beraten Frauen*

Alleinerziehende Migrantinnen. Lebenslagen und Fähigkeiten im Spannungsfeld von Abhängigkeit und Selbstbestimmung. Hg. von Dorothea Christa Krüger. 328 Seiten, ibidem, Stuttgart 2016 EUR 29,90