Das Organ der Macht

Ganz plötzlich beginnt es: die Mädchen dieser Welt entdecken, dass sie ein neues Organ entwickelt haben, den sogenannten Strang, der sich an ihr Schlüsselbein schmiegt. Der Strang bewirkt, dass die Mädchen Stromstöße abgeben können. Mit ihren Berührungen verursachen sie Schmerzen und können sogar töten. Zunächst sind nur Mädchen in der Pubertät betroffen, aber schnell finden sie heraus, dass sie ihre Gabe auch an erwachsene Frauen weitergeben können. Am Beispiel von vier Menschen unterschiedlichen Alters und Geschlechts erzählt die Autorin ihre Geschichte: wie die Politik versucht, mit Hilfe paramilitärischer Einrichtungen die Lage in den Griff zu bekommen, wie das organisierte Verbrechen daraus Profit schlägt, wie eine neue Religion entsteht und wie die Medien darüber berichten.
Die Autorin zeichnet eine geschlechtlich binär strukturierte Welt, die sie nur selten aufbricht, indem auch manche Männer Stränge entwickeln und manche Frauen nicht, oder indem die Stränge transplantierbar sind. Schon nach den ersten Seiten ist eigentlich klar, wohin das Ganze führt: Wenn sich ein so grundlegendes Machtverhältnis wie das zwischen Männern und Frauen umkehrt, und zwar durch eine Änderung in der Biologie, dann steht zu erwarten, dass sich eigentlich nichts an den Strukturen ändert, die Akteur*innen werden nur Platz tauschen.
gam
Naomi Alderman: Die Gabe. Aus dem Engl. von Sabine Thiele. 464 Seiten, Heyne Verlag, München 2018 EUR 17,50