Die Lebensreise einer Selbstauslöserin

Sie steht in einem weißen Baukasten. Klick. Klick. Bild für Bild rücken die Wandelemente näher, verengen den Raum, bedrängen die Frau. Drücken sie nieder – bis sie verschwindet. Mit der Fotoserie „Die weiße Zelle“ machte die Künstlerin Margot Pilz in den 80ern nicht nur ihren inneren Zustand augenscheinlich. Sie spiegelte auch jenen des weiblichen Kollektivs wider. Vorausschauend früh hatte sie auch Gender-Pay-Gap, Umweltschutz und Digitalisierung im Fokus. Die Anerkennung folgte spät. Wie bei vielen Vertreterinnen der „feministischen Avantgarde“. Die kürzlich erschienene Biografie lässt ihren künstlerischen Ausdruck nuanciert nachvollziehen. 1936 geboren in den Niederlanden, zieht Pilz mit ihren Eltern nach Indonesien, damals Kolonie. Als 7jährige wird sie mit ihrer Mutter in ein Internierungslager verschleppt. Überlebt. Mit 18 kommt sie zur Oma nach Wien, lernt Fotografie an der Graphischen, wo sie grapschende Professoren bedrängen. Dominanz erlebt sie auch als Hausfrau und Mutter, kommt mit offener Ehe und häuslicher Gewalt zurecht. Outet Affären, Schönheitsoperation und Lebkuchen-Business – bis sie, radikalisiert im Zuge des feministischen Aufbruchs in den 70ern, als Spätberufene ihre künstlerische Initiation erlebt: Beim Frauenfest 1978 wird sie verhaftet. Erzählt wird flüssig und dicht. Biografisches, Anekdotisches, Historisch-Politisches fließen ineinander. Dazu reichlich: Kunstszene-Hopping und Name-Dropping. Auch das ist Margot Pilz: Eine Netzwerkerin, die das Leben feiert.

Nina Kreuzinger

Nina Schedlmayer: Art Biography. Margot Pilz. Leben. Kunst. 224 Seiten, Leykam, Graz/Wien EUR 24,90