„Die Schlampe hat’s doch verdient.”

Mädchengewalt ist schon lange kein Randproblem mehr. Sie äußert sich häufig als soziale Gewalt gegen andere Mädchen der gleichen Peergroup, die keinen direkten Straftatbestand erfüllt und daher weniger sichtbar ist. Im Falle der 195 Jugendlichen, die am Kölner Anti-Gewalt-Programm für Mädchen (KAPM) teilgenommen haben, waren jedoch 87% seitens des Jugendgerichts überwiegend wegen Körperverletzung dazu verpflichtet worden. Die Mehrheit der Mädchen kennt nur ein Umfeld, in dem Gewalt täglich vorgelebt wird. Da Therapiekonzepte in der Anti-Gewalt-Arbeit für Jungen nicht direkt auf Mädchen übertragbar sind, wurde das KAPM als erstes spezifisch auf Mädchen ausgerichtetes Therapieprogramm Deutschlands entwickelt und soll dauerhafte Verhaltensänderungen über Persönlichkeitsentwicklung ermöglichen.

Durch die Erklärung von Grundlagen und therapeutischen Methoden sowie den Einbau von Fallbeispielen und Dialogen werden die Entstehung devianter Verhaltensweisen und die Interventionsansätze des KAPM nachvollziehbar gemacht und die Lebensrealitäten und Umgangsformen der Mädchen eindrücklich aufgezeigt. Der komplexen Traumatisierung als Grundstein gewalttätigen Verhaltens sowie den Unterschieden in Gewaltausübung und auslösenden Faktoren zwischen Mädchen und Jungen wird ausreichend Platz eingeräumt. Zahlreiche Übungen für die jeweiligen Bereiche der Förderung des KAPM runden das Gesamtbild ab. Aufgrund seiner Praxisorientiertheit ist das Buch eine Bereicherung im Bücherregal für all jene, die mit Jugendlichen arbeiten.

Sarah Schober

Mädchengewalt: Verstehen und handeln. Das Kölner Anti-Gewalt-Programm  für Mädchen.  Hg. von Anja Steingen, Melanie Gehring-Decker und Katharina Knors.  462 Seiten, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2016 EUR 41,20