Die Zeit steht still

Was macht eine Fotografin während des Lockdowns, wenn ihre Aufträge für Monate platzen – der Existenzgrundlage entzogen, weil sie als Porträtfotografin auf die Nähe zu anderen Menschen angewiesen ist, wenn selbst Veranstaltungen wie Festivals, Premieren oder Hochzeiten behördlich untersagt werden? Da Treffen im virtuellen Raum möglich sind, startet die Fotografin und Journalistin Pamela Rußmann ein Experiment: Fotoshootings via Computerbildschirm. Über Instagram rief sie zur Partizipation auf. Entstanden sind sehr eindrucksvolle Porträts in Bild und Wort, die Einblicke in damals aktuelle Lockdown-Situationen gewähren. Fotografien werden durch biografische Beschreibungen und Interviews ergänzt. Der virtuelle Raum erlaubt sekundenschnelle Ortswechsel weltweit, dadurch konnte sie auch Frauen aus verschiedenen Ländern, ohne den Ort zu wechseln, treffen und porträtieren. Über 35 Frauen machten mit und trafen so zwischen März 2020 und Dezember 2021 Pamela Rußmann, manche von ihnen kannte sie, manche nicht. Das Buch stellt 21 von ihnen vor. Sie fotografierte die Frauen mit ihrer regulären Kameraausrüstung, die Frauen ihrerseits waren somit doppelt vor der Linse – vor jener ihrer Kamera und jener des Computers. Für einige der Frauen waren diese Gespräche mit der Kamera ein erster Kontakt außerhalb des eigenen Haushalts. Das virtuelle Experiment von Rußmann ist gelungen, ein vielschichtiges und sehr lesens-/sehenswertes Buch ist entstanden.

Petra M. Springer

Pamela Rußmann: Irgendwann geht auch das vorbei. Frauen in Zeiten von Corona. 200 Seiten, Leykam, Graz/Wien 2022 EUR 24,00