Einmal alles, bitte

Wie schon bei Mieze Medusas vorangehendem Roman „Du bist dran“, tritt auch in ihrem neuesten Werk wieder eine ausgezeichnete, handverlesene Sammlung an eigentümlichen, schräg normalen Protagonistinnen* auf. Von Wien bis Innsbruck erstreckt sich die unpatriotisch österreichische Handlung, inklusive liebevoller Beschreibungen von Gürtel und O-Dorf. Lustig und schmerzhaft realitisch geht es um Familiendynamiken, Symptomträger:innen, Verliebtsein, die Höhen und Tiefen von Wohngemeinschaft, und nicht zuletzt um den vielfältigen Anspruch, den ‚die Gesellschaft‘ an Frauen verschiedensten Alters stellt: Karrieremensch und perfekte Ehefrau bitte. Studieren, und das gut, aber irgendwie auch die Kreativität ausleben. Irgendetwas Fixes finden und dafür brennen, aber auch flexibel, jugendlich, gesellig, sportlich sein. Und Genussmensch bleiben, auch wenn frau dabei Familie und Haushalt schupfen muss. Der patriarchale Neoliberalismus lässt grüßen. Wie befreiend es sein kann, all das einfach ein bisschen weniger ernst zu nehmen, wie schön es ist, den Druck „etwas im Leben zu schaffen“ etwas weniger stark an sich hearanzulassen, und, dass das Leben weitergeht, auch wenn einmal etwas nicht funktioniert – mit diesem Buch holt Mieze Medusa uns diese in unser aller Unterbewusstsein schwimmenden Ahnungen wieder etwas mehr an die Oberfläche. Und das tut gut.
Agnes Reininger
Mieze Medusa: Was über Frauen geredet wird. 256 Seiten, Residenz Verlag, Wien 2022 EUR 26,00