Ignoranz auf Reisen 

Die bestimmenden Leidenschaften in Erika de Barys hundertjährigem Leben waren das Reisen und das Schreiben. Eine poetische Vorstellung vom Ursprünglichen zieht sie unter anderem nach Libyen, Algerien, Mali und Madagaskar. Sie veröffentlicht Reiseberichte und übersetzt die Arbeiten afrikanischer Autoren. An der jeweiligen politischen Situation, der noch herrschenden Kolonialherrschaft, den damit verbundenen sozialen Spannungen zeigt sie kein Interesse. Das urzeitliche, archaische will sie sehen, sucht nach einem märchenhaften Zauber, den sie ihren Reisezielen überstülpt, lange bevor sie einen Fuß dorthin setzt. Trotz der auf den ersten Blick interessanten Biografie fällt es schwer Sympathie für diese Frau zu empfinden. Im zweiten Weltkrieg folgt sie ihrem Mann ins besetzte Paris, verhält sich als Urlauberin und verbringt letztlich Monate damit zu schmollen, als sie die Stadt angesichts der anrückenden alliierten Truppen verlassen muss. Dass politische Umstände oder die Notwendigkeiten vernünftigen Verhaltens in schwierigen Lebensumständen ihr auf späteren Reisen das Bild vom ach so Pittoresken verderben, zeugt von einem fehlenden Begreifen der jeweiligen kulturellen Gegebenheiten. Schön, dass sie ein Leben lang die Mittel hatte, um ihren Leidenschaften zu folgen, schade, dass sie so wenig daraus gemacht hat.  baw

Almut Seiler-Dietrich: Hinter dem Seidenhimmel spannt sich die flockige Nacht wie Zunder. Biographie. 240 Seiten. Horlemann, Angermünde 2015  
EUR  20,50