Krankheit

War es die Absicht der Autorin, das Leiden des Protagonisten erfahrbar zu machen? Es ist kein Mitleid, das einem ange-sichts des Schicksals dieses Pflegefalls ergreift. Der ehemalige Kinderarzt ist ein Ekel für seine ihn pflegende Ehefrau. Seine Paranoia, seine Depression und sein Selbstmitleid treiben ihn immer tiefer in Wahnvorstellungen. Er verdächtigt, bezichtigt und beschimpft seine Frau, wirft ihr jede Bösartigkeit an den Kopf, die man sich nur vorstellen kann. Ans Bett gefesselt, versucht er mit Medikamentenmissbrauch und Alkohol seine Lage zu verdrängen. Seinen Hausarzt erklärt er zu seinem größten Feind. Alle Vorschläge der ärztlichen Therapie schlägt er in den Wind. Als man es kaum mehr erträgt, diesem Schauspiel beizuwohnen, kommt mit der jungen kirgisischen Pflegerin ein wenig Hoffnung in die Handlung. Mit ihr schöpft der Kranke den Glauben, es gehe wieder aufwärts. Ihre sanfte Pflege beflügelt ihn zu neuen Träumen, er will sein Bett verlassen und noch einmal eine Reise machen – nach Hause. Die Leserin weiß allerdings längst, dass der Kinderarzt niemals ein glückliches Zuhause hatte. Nur die Berge verschaffen ihm den Frieden, nach dem er sich sehnt. Der Roman ist aus der Sicht des Kranken geschrieben, weder die Ehefrau noch die Pflegerin oder der Hausarzt kommen zu Wort. Meine Meinung wurde bestärkt, die Pflege nicht den Angehörigen allein zu überlassen, sondern durch eine professionelle Pflegekraft Erleichterung zu erlangen. Die Hölle des Leidenden sollte nicht zur Hölle der Pflegenden werden.
Margit Knipp
Dagmar Formann: Der Siebenschläfer. 191 Seiten, Seifert Verlag, Wien 2017 EUR 19,95