Leben und Theater

Die Personenvielfalt im Roman macht das Verfolgen aller Erzählstränge nicht leicht. Rund um drei prägnante Hauptfiguren, Lyn, Sophie und Lilly, ranken sich Familienzugehörigkeiten und Wohnorte auf Haupt- und Nebenschauplätzen. Nora aus Ibsens Schauspiel fungiert als titelgebende Figur, als symbolische Kraft hinter der neuen Erzählung. An einer Stelle sagt Sofie zu Lyn: „Vergiss nie, dass sich unsere Familie nicht darstellen lässt, verschwende keine Gedanken und keinen Wunsch an eine Vater-Mutter-Kind-Allianz. Immer wird jemand zu uns gehören, der nicht hineingeboren ist.“ (S.206) Ob und wie daraus ein Mehrwert wird, oder ob dunkle Geschehen im Familienleben kaschiert werden, sei an dieser Stelle nicht verraten. Auch Kriegsgeschehen sind dem Roman eingeschrieben, mit Schutt und Asche im Gesicht von Sofie und ihrer Mutter, die rußgeschwärzt von ihren Verwandten nicht erkannt werden. Ibsens Nora ist in dieser Erzählung insofern präsent, als sie vom Verlust eines Tagebuchs, vom Verlassen und Aufbrüchen handelt. Im vorliegenden Roman heißt Nora eigentlich Lilly, das Tagebuch ihres Vaters wurde von Sofie versteckt. Warum und wieso, bleibt im Weiterleben zurück.

Helga Mauerer

Friederike Schwab: Nora. Ein Tanz. 228 Seiten, Edition Keiper, Graz 2021 EUR  22,00