Lebenskämpfe

„…ich möchte gern glauben, dass ich besonders bin.“ Nahid ist eine faszinierende Frau um die sechzig und nun steht sie an einem Wendepunkt, denn ihr Leben, das sie durch ihre Flucht aus dem Iran gerettet hat, steht nun vor dem nahenden Ende. Sie erhält am Romanbeginn eine Krebsdiagnose und es wird ihr nur noch wenig verbleibende Lebenszeit prognostiziert. Nahid zeigt sich dem medizinischen Apparat gegenüber wenig kooperativ und es entfaltet sich Seite für Seite eine widerständige, widerspenstige Persönlichkeit. Sie ist in Teheran aufgewachsen, hat dort zum Stolz der ganzen Familie Medizin studiert, gegen die islamische Revolution protestiert, ihre kleine Schwester verloren und ist schließlich mit Mann und kleiner Tochter nach Schweden geflohen. Was soll sie müssen, wenn sie sterbend ist? Wer darf von ihr – als Geflüchtete, als Frau, als Todkranke, als Tochter, als Mutter – etwas verlangen dürfen? Nahid kämpft weiter, nun gegen den Tod, „statt das Letzte aus dem Leben herauszuquetschen“. Sie sieht es als ihre Errungenschaft, dass sie Tochter und Enkelin dieses Land ermöglicht hat, und wünscht sich dabei, dass ihre persischen Lieder hier weitergesungen werden. Solche schmerzhaften Ambivalenzen werden im Umgang mit ihrer inzwischen erwachsenen Tochter aufgefächert und nicht aufgelöst – die Katastrophe der Flucht, des Neubeginns im fremden, waldigen Land, hinterlässt auch in der nächsten Generation Spuren, macht die Kommunikation zwischen den beiden schwierig. Der Roman flicht diese Geschichtsstränge kunstvoll ineinander, Nahids Revolten und ihr Sterben, in prägnanten Sätzen und klarer Sprache – großartig!
Meike Lauggas
Golnaz Hashemzadeh Bonde: Was bleibt von uns. Aus dem Schwed. von Sigrid Engeler. 219 Seiten, Nagel & Kimche, Zürich 2018 EUR 20,60