Madonna hilf: Wütende Mutter klagt an

Eine junge Autorin wird das erste Mal Mutter und fällt ungeahnt in ein tiefes Loch. Um sich herauszuarbeiten, schreibt sie verzweifelte, lustige, unverblümt beschreibende und anklagende Briefe an die jeweils passenden oder auch unpassenden Empfängerinnen und Empfänger: Madonna, Jesus, Mohammed, die Frauenministerin, Werther, einen Frosch oder das Loch selbst. Diese Briefe lesend begleiten wir die Frau durch ein Kalenderjahr, in dem sie an den Ansprüchen und unerfüllten Wünschen kapital zu scheitern droht. Erschlagende Müdigkeit, die sisyphosgleiche Arbeit gegen überlaufende Windeln und fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten in einem fiktiven österreichischen Dorf stehen einem vehementen Bedürfnis nach sinnvoller und anerkannter intellektuell-schöpferischer Tätigkeit entgegen. Der Mann der Autorin glänzt hauptsächlich durch Abwesenheit und Hilflosigkeit. Hilfe ist nicht in Sicht, so hilft sie sich selbst durch diese kurzen Briefe. Denn an die Macht der Worte, des Benennens, glaubt die Schreibende. Genau beobachtet, schonungslos ehrlich beschrieben: die Mutterschaft in ihrer frustrierenden wie beglückenden Ambivalenz wird bei Simone Hirth greifbar.

Judith Staudinger

Simone Hirth: Das Loch. 268 Seiten, Kremayr & Scheriau, Wien 2020 EUR 22.90