Niemand muss obdachlos sein

Entstanden aus einem Vortrag der Wiener Vorlesung, zeigt der Beitrag von Elisbeth Hammer, Geschäftsführerin der Wiener Sozialorganisation neunerhaus, dass Obdachlosigkeit jeden treffen kann. Vorurteile und Emotionen bestimmen den Diskurs – doch welche Biografien stecken tatsächlich hinter Obdach- und Wohnungslosigkeit? Jede einzelne davon ist es wert, erzählt zu werden, um nicht hinter Statistiken unsichtbar gemacht zu werden. Psychischer und physischer Stress, Gewalterfahrungen, schwierige ökonomische Situationen und Abhängigkeiten spielen oft eine Rolle. Gerade die steigenden Wohn- und Lebenskosten bei stagnierenden Einkommen sorgen dafür, dass nicht nur für Armutsbetroffene das strukturelle Risiko steigt, obdach- oder wohnungslos zu werden. Veränderungen im Lebenslauf wie Scheidung, Jobwechsel, Arbeitslosigkeit, Migration oder Flucht können nicht immer durch soziale Netzwerke abgefangen werden. Betroffene schämen sich oft jahrelang, Hilfe anzunehmen. Niederschwellige Angebote wie Tageszentren und Notunterkünfte helfen in akuten Notlagen, Hammers Vision setzt aber früher an: eine Wohn- und Sozialpolitik, die es auch Menschen mit sehr niedrigem Einkommen ermöglicht, sich das Wohnen leisten zu können. Schritt für Schritt zeichnet sie mögliche Versorgungsmodelle für unterschiedliche Lebenslagen auf. Das Plädoyer lautet: Je mehr die Gesellschaft Obdachlosigkeit zum Thema statt zum Tabu macht, desto eher sind wir in der Lage, eine Gesellschaft ohne Obdachlosigkeit zu schaffen.
PS
Elisabeth Hammer: Hinschauen statt Wegschauen. Wie eine Gesellschaft ohne Wohnungslosigkeit möglich ist. 70 Seiten, Picus, Wien 2022 EUR 14,00