OhMama – eine Zeitreise

Reisen nach Sopron, Norwegen mit dem Schiff – die Omama im Buch reist mit Gruppen und mit der Enkeltochter. Generationen-Grauslichkeiten werden dabei offenbar: Geschwollene Knöchel, schwimmende Hornhautteile im ungarischen Thermalbadewasser – Lisa Eckhart beobachtet scharf und beschreibt sezierend. Zwischendurch meldet sich ein Erzählerinnen-Ich zu Wort und dirigiert. Damit wird im Buch eine historische Komponente des Diktatorischen deutlich, die auch die Omama beherrscht: Sie traktiert das Enkelkind mit süßer Nahrung. Ihre eigene Kindheit und Jugend waren vom Konkurrenzkampf mit der Schwester bestimmt. Das Buch kann als angewandte negative Dialektik feministischer Theoriebildungen gelesen werden. Frauen werden als wehrhaft und ausgeliefert beschrieben. Kleidungsstücke werden unter anderem mit der Schere „akzentuiert“. Die Sprachgewalt Eckharts ist hart und nicht herzlich. Was an der Kabarettistin Eckhart kritisiert wurde und wird, findet sich auch in Passagen des Buches: Das N-Wort kommt vor, im Generationengeplänkel. Die schonungslose Verstrickung der Omama mit dem Enkelkind erinnert an die Mutter-Tochter-Verbindung in Jelineks Klavierspielerin. Besonders treffend-schön sind die Nachkriegsgenerationennamen – Ilse, Helga, Tante Elfriede: Das Buch leitet in eine Vornamen-Zeitreise im literarischen Wirtschaftswunderland Österreich. Der Roman ist ein Kleinod an Grauslichkeiten, mit aufscheinenden Bezügen zur Realität und viel abgrundtiefem Humor.

Gerlinde Mauerer

Lisa Eckhart: Omama. 384 Seiten, Paul Zsolnay Verlag, Wien 2020 EUR 24,70