Poetischer Widerstand gegen den Krieg
Zoli liebt die Pflanzen und die Wörter. In seiner fantasievollen Wahrneh-mung der Welt erkennt er Schönheiten, die die meisten Menschen einfach übersehen würden. Zoli wächst in Serbien auf und kommt aus ärmlichen Verhältnissen, die Nachbarn nennen ihn und seine Familie abfällig „Zigeuner“. Als ihm der Bäckermeister den Kopf blutig schlägt und er obendrein noch vom fahrenden Motorrad seines Vaters fällt, kriegt er das „Schläfenflattern“ und wird von seiner Umgebung als „Idiot“ abgestempelt. Ohne Arbeit und Ausbildungschancen, widmet er den Großteil seiner Zeit dem elterlichen Garten oder löst Kreuzworträtsel in der Scheune. Doch als 1991 der Bürgerkrieg in Jugoslawien ausbricht, wird er in die Armee eingezogen und in Zrenjanin stationiert. Dort ist er dem Drill und dem auf totalen Gehorsam ausgerichteten Umgang in der Kaserne schutzlos ausgeliefert, bis sich ein anderer junger Wehrpflichtiger seiner annimmt. Doch als dieser einzige Freund bei einem Trainingsmarsch tot zusammenbricht, weil ihn die Vorgesetzten trotz eindeutiger Überanstrengung weiterzerren lassen, hört Zoli auf, sich dem militärischen System zu unterwerfen.
Melinda Nadj Abonji erzählt in ihrer musikalischen Sprache von poetischem Widerstand, von freien Gedanken und wilden Ideen, von der Kraft der Phantasie und der Liebe in einem unterdrückerischen System. Abwechselnd aus der Perspektive von Zoli und der seiner Schweizer Cousine Hanna erzählt, entwickelt sich Seite um Seite eine berührende Geschichte vom sanften Widerstand eines „Taugenichts“ gegen den Krieg.
Rebecca Strobl
Melinda Nadj Abonji: Schildkrötensoldat. 173 Seiten. Suhrkamp Verlag, Berlin 2017 EUR 20,60