Urbaner Dschungel

Immer mehr Menschen nehmen sich immer mehr Pflanzen in ihre Wohnungen – heißt das, es gibt ein gesteigertes Bewusstsein dafür, dass sie sich nicht mehr als die einzigen relevanten Lebewesen betrachten? In ihrer aufschlussreichen und kurzweilig zu lesenden Studie forscht Maria Pfeiffer zum Phänomen des tatsächlichen urbanen Dschungels. Sie untersucht dabei nicht nur den Einfluss sozialer Medien, sondern geht auch dem Grundbedürfnis nach einem sicheren und angenehmen Ort der Zuflucht, sprich der Wohnung, nach. In einer Mischung persönlicher Wohlfühlbedürfnisse und dem gleichzeitigen Präsentieren des gestylten Zuhauses findet sie mehr als nur oberflächliche Verweise auf Trends. „Pflanzen sind zu den Stars des Wohnzimmers avanciert. Wer heute in die Wohnungen junger Stadtbewohner:innen tritt (persönlich oder virtuell), bewundert nicht mehr nur die Größe der Wohnung, sondern auch die Anzahl und Arten der Pflanzen, die darin Platz finden.“ Die Autorin wirft einen Blick in die Geschichte, um die Beziehung von Mensch und Natur in westlichen Gesellschaften zu erkunden, und beobachtet bereits im 18. Jahrhundert die Sehnsucht nach einer fiktiven ‚Natur‘, die sich etwa in der Imitation bäuerlichen Lebensstils in Schlossgärten zeigt. Resonanzfähigkeit und Entschleunigung in Gegenwart von Natur, Wäldern oder eben Pflanzen gewinnen mehr und mehr Relevanz. Pflanzenbesitzer:innen erleben Freude bei der Pflege und entwickeln Beziehungen zu diesen rätselhaften und doch so präsenten Wesen.
Susa
Maria Pfeiffer: Im Dschungel zu Hause. Private Entschleunigung und öffentliche Aushandlung des Wohnraums durch Zimmerpflanzen. 151 Seiten, Nomos, Baden-Baden 2023 EUR 36,00