Wie Sorge (doch nicht) entsorgt wird

nna Hartmann verknüpft feministisch-ökonomische und psychoanalytische Ansätze, um zu neuen Einsichten zur „Entsorgung der Sorge“ im spätkapitalistischen Westen beizutragen. Im Zentrum ihrer Arbeit steht die Beobachtung, dass die strukturellen Voraussetzungen für die Erbringung der Sorgearbeit – im fordistischen System noch idealtypisch bei der „Hausfrau“ verankert – im Spätkapitalismus zunehmend entsorgt werden. Das Nebeneinander der weiterhin im Privathaushalt erbrachten Sorgearbeit und einer immer stärkeren Ausrichtung der öffentlich und privatwirtschaftlich organisierten Sorgearbeit an Marktprinzipien führt – so die grundlegende These – auch zu einem Wegfall der für Sorgearbeit konstituierenden Beziehungsmomente. Diese Annahme wird mit der Frage der Auswirkungen auf die Geschlechterhierarchie und auf das Verhältnis von Sorge und Subjekt diskutiert. Die Leugnung der Angewiesenheit auf „andere“ wird als ein Grundproblem identifiziert, mit welchem ein anderer Umgang gefunden werden müsse, will Sorgearbeit nicht gänzlich entsorgt werden. Der Band stellt durchaus hohe Ansprüche an die Leserinnenschaft, da anhand unterschiedlichster theoretischer Konzepte argumentiert wird. Ein gewisses Vorverständnis dieser oder den Willen sich hier „durchzubeißen“ ist ratsam, um in den Genuss durchaus überraschender Denkanstöße rund um den Umgang mit Sorgearbeit im derzeitig vorherrschenden Wirtschafts- und Gesellschaftssystem zu kommen.

Nadja Bergmann

Anna Hartmann: Entsorgung der Sorge. Geschlechterhierarchie im Spätkapitalismus. 225 Seiten, Westfälisches Dampfboot, Münster 2020 EUR 25,70