Wir fordern eine feministische Agenda in Literatur, Politik und Öffentlichkeit!

Der WeiberDiwan führte ein Gespräch mit den beiden Verantwortlichen der Interessengemeinschaft feministische Autorinnen (≠igfem), Gerlinde Hacker und Dorothea Pointner, die beide in Wien leben. Gerlinde Hacker ist Schriftstellerin, Literaturaktivistin und Multi-Media-Künstlerin, wobei ihr literarischer Schwerpunkt auf Lyrik und lyrische Prosa liegt. Dorothea Pointner ist Sprachwissenschaftlerin und Autorin von Lyrik und Prosa. Die ≠igfem wurde von den beiden im Juli 2019 gegründet, um sich für die stärkere Sichtbarkeit weiblicher Autorinnen in den unterschiedlichen Medien und allgemein im Literaturbetrieb zu engagieren. Beide sind Mitglied der Grazer Autorenversammlung. Im März lasen beide aus ihren Werken bei einem Frauenfest in Wien, denn Leseauftritte bei Veranstaltungen sind für beide wichtig. Aufgrund der zahlreichen organisatorischen Vereinsaktivitäten kommen sie selbst wenig zum kreativen Schreiben, was sie allerdings gern rasch ändern würden.

Die Vereinsgründung einige Monate vor der Pandemie hatte zur Folge, dass es eine Notwendigkeit für sie war, die unterschiedlichen Meetings und Schreibwerkstätten online durchzuführen. Mittlerweile hat sich diese Herangehensweise als sinnvoll erwiesen, da die Autorinnen, die sich an den Schreibwerkstätten beteiligen, sich aus den verschiedenen Bundesländern in Österreich und den anderen deutschsprachigen Ländern zusammensetzen und die Partizipation ohne Anreise nach Wien ermöglicht wird. Die Schreibwerkstätten dienen dazu, dass sich die Autorinnen über ihre eigenen literarischen Texte verständigen und die Autorinnen sich gegenseitig ein konstruktives Feedback geben, wie die jeweiligen Texte wirken. Vor allem sind diese regelmäßigen generationenübergreifenden Veranstaltungen wesentlich für die feministische Netzwerkbildung. Derzeit gibt es drei Schreibgruppen, wobei eine Schreibgruppe in englischer Sprache organisiert wird, damit sich auch internationale Autorinnen aus anderen Ländern beteiligen können. Selbstverständlich ist die IG daneben auch in anderen sozialen Medien aktiv, um ihre Agenda publik zu machen.

2021 haben Gerlinde Hacker und Dorothea Pointner den ersten Band der ≠igfem, das WeissNet 2.0, herausgegeben. Ein großer Anteil der veröffentlichten Texte ist auch auf der Website der ≠igfem verfügbar. Die Anthologie setzt sich aus 54 literarischen Texten von Autorinnen zusammen, wobei verschiedene Textsorten wie Lyrik, Erzählungen, Essays und andere Formen aufgenommen wurden. Die Texte reflektieren und verdichten das Leben von Frauen und zeigen historische Zusammenhänge auf, wie Frauen in einer patriarchalen Welt benachteiligt werden. Die Texte bestätigen, dass die Forderung nach Gleichstellung noch lange nicht erfüllt ist. Auch 2022 und 2023 wurden wieder Texte gesammelt, die nachdem sie von einer Jury ausgewählt werden, veröffentlicht werden sollen.

Ein weiteres Projekt der Gruppe, welches im März 2023 startete, ist die Zusammenstellung einer literarischen Leseliste für den Deutschunterricht der Unter-& Oberstufe, um moderne weibliche wie männliche Rollenbilder zu vermitteln und die Geschichte von Frauen und Feministinnen abzubilden. Daran arbeitet die ≠igfem 2023 gemeinsam mit einem Expertinnengremium, bestehend aus Autorinnen, Literaturwissenschaftlerinnen und -kritikerinnen, Historikerinnen, Bildungswissenschaftlerinnen, Verlegerinnen, Buchhändlerinnen und Lehrerinnen. Nach der Fertigstellung der Auswahlliste soll diese an das Bildungsministerium, die Bildungsdirektionen der einzelnen Bundesländer sowie an die Schulen selbst übermittelt werden. In Deutschschulbüchern sind literarische Texte von Autorinnen bisher unterrepräsentiert.

Allein 2023 führte die ≠igfem zwei Lesefestivals mit dem Titel Störfeuer durch, an denen zahlreiche Autorinnen teilnahmen. Die jeweils dreitägigen Veranstaltungen Ende Juni und im Oktober 2023 wurden gemeinsam mit der Grazer Autorenversammlung organisiert. Neben den Lesungen wurde auch ein Workshop mit Elisabeth Hafner zum Thema „Schriftstellerinnen im Spiegel der Jahrhunderte“ sowie eine feministische Performance durchgeführt. Insbesondere die Festivals dienen dazu, einen breiten unmittelbaren Austausch unter den Autorinnen mit der Öffentlichkeit zu ermöglichen.

Im nächsten Jahr ist von der ≠igfem ein EU-Projekt mit dem Titel „Equal Show – Equal Pay – Equal Pension“ geplant. Es ist ein Projekt über drei Jahre, an dem sich Autorinnen aus Österreich, Armenien, Deutschland und den Niederlanden beteiligen werden, in dem es um eine internationale Vernetzung von Autorinnen und die Bedingungen für Schreibprozesse geht, wobei auch Entlohnungsfragen eine Rolle spielen sollen. Anhand der Ergebnisse der Studie werden Handlungsoptionen für die Autorinnen erarbeitet. Nach wie vor arbeitet ein hoher Anteil der Autorinnen in Österreich prekär, sodass diese darauf angewiesen sind, ihren Brotjob aus anderen ökonomischen Quellen zu bestreiten. Der Gender-Pay-Gap beträgt im österreichischen Kulturbetrieb rund 25%, der unbereinigte Gap liegt bei 49,6%. Das hat zur Folge, dass das Einkommen von Frauen, die einer künstlerischen oder kunstvermittelnden Tätigkeit nachgehen, um ein Viertel bis zu mehr als die Hälfte unter jenem ihrer männlichen Kollegen liegt.

Wir wünschen Gerlinde Hacker und Dorothea Pointner bei der Verwirklichung ihrer unterschiedlichen Projekte viel Erfolg, denn es geht schließlich um Fair Pay Bedingungen im Kunst- und Kulturbetrieb für Frauen.

Die ≠igfem arbeitet hauptsächlich online und ist unter igfemat auf den meisten Social-Media-Kanälen erreichbar. Infos und Termine zu Workshops, Ausschreibungen usw. findet ihr außerdem auf ihrer Website igfem.at.