Zwischen Pub und Gurdwara

Nikki lebt in London und jobbt in einem Pub, denn das Jus-Studium, das ihre Eltern für sie vorgesehen haben, langweilt sie. Sie möchte sich erst einmal orientieren, traut sich aber zunächst nicht, ihrer Familie zu gestehen, dass sie das Studium aufgegeben hat. Sie verlässt jeden Tag mit Tasche und Unterlagen das Haus, streift durch London, „das mit seinem verrußtem Himmel und sei­nen uralten Gemäuern den perfekten Hintergrund für ihre Dickens’sche Seelenpein“ abgibt. Angeregt von einer Freundin engagiert sie sich bei feministischen Initiativen und wird eher zufällig zur Kursleiterin eines Schreibkurses für Frauen aus der Sikh-Gemeinde. Was sie sich eher als Creative Writing-Kurs vorgestellt hat, entpuppt sich als Alphabetisierungs­auftrag. Aber schon in der zweiten Stunde zeigt sich der Wille zum Schreiben und Erzählen der Frauen. Eine nach der anderen präsen­tiert erfundene, erlebte oder erträumte erotische Geschichten. In die Handlung des Romans verweben sich geheimnisvolle Details aus der Vergangenheit von Nikkis Vorgesetzter.

Balli Kaur Jaswals Stil ist – dem Verlag entsprechend – leicht und schnell lesbar. Sie erzählt bunt und detailreich über Tradition und Opposition in der Londoner Sikh-Gemeinschaft, die Erfahrungen einer jungen Frau zwischen zwei kulturellen Hintergründen und das unerwartete Empowerment von Frauen durch den Mut zu erotischen Phantasien. Mit kleinem, hilfreichen Glossar am Schluss.

Susa

Balli Kaur Jaswal: Geheime Geschichten für Frauen, die Saris tragen. Aus dem Engl von Stefanie Retterbach. 480 Seiten, Goldmann, München 2018 EUR 10,30