Familie, Gewalt und die Wiederholungsgefahr
In ihrem sehr persönlichen Text setzt sich Barbara Peveling mit den geschlechtsspezifischen Gewalterfahrungen in ihrem Leben auseinander. Sie erzählt von der Gewaltspirale in ihrer Ehe und von ihren Erfahrungen als Kind eines gewalttätigen Vaters, der sich schließlich selbst erschoss. Die Stigmatisierung der Familie sowie der Umgang von Mutter und Großmutter mit familiärer Gewalt erkennt sie als Nährboden für die eigene Bereitschaft, viele Jahre in einer von – vornehmlich ökonomischer und psychischer – Gewalt geprägten Ehe zu verbleiben. Ihr zentrales Anliegen ist es, die Scham, die solches Zulassen von Gewalt begleitet, in den öffentlichen Diskurs zu bringen und kollektiv zu überwinden. Zur Erklärung für die ungebrochene Wirksamkeit männlicher Dominanz zieht die promovierte Ethnologin Peveling das Modell des „ganzen Hauses“ und der patriarchalen Beherrschung desselben heran, sowie jenes geschlechtsspezifischer Rollenmuster, die die Frau weiterhin auf die Rolle der selbstlosen Versorgerin der Familie im häuslichen Innen und den Mann auf die Selbstdurchsetzung im gesellschaftlichen und beruflichen ‚Außen’ festlegen.
Diese Erklärungsmuster, die vereinfachend und zu kurz gegriffen anmuten, bekommen durch die Fülle persönlicher und gesellschaftlicher Beispiele sowie durch mannigfaltige Bezüge zu feministischen Theoretikerinnen und Debatten eine überraschende Plausibilität. Vermittels ihres ethnologischen Blicks auf gesellschaftliche Macht- und Dominanzstrukturen und der Entzauberung von – erstaunlich wirksamen –Geschlechtermythen gelingt es Peveling zumindest teilweise, den Rahmen der Gleichstellungskämpfe weißer, westlicher Feministinnen zu überschreiten.
SaZ
Barbara Peveling: Gewalt im Haus. Intime Formen der Dominanz. 320 Seiten, Edition Nautilus, Hamburg 2024 EUR 22,00