„Bei uns herbstelts sehr wohl!“

Wiebke Sievers, Holger Englerth und Silke Schwaiger haben neun nach Österreich zugewanderte prominente AutorInnen befragt: Nach ihren literarischen Anfängen, den Bedingungen im Literaturbetrieb, ihren Vorbildern und nach der Bedeutung von Migration und Mehrsprachigkeit für ihr Schreiben. Dabei zeigt sich, dass Fremd- und Eigenwahrnehmung oft auseinanderklaffen. So erleben die befragten AutorInnen häufig eine Reduktion auf ihren sogenannten Migrationshintergrund, während sie sich selbst viel komplexer wahrnehmen, sowohl was ihr Schreiben als auch was ihre persönlichen Biografien betrifft. Seher Çakir muss sich zum Beispiel ihrer Lektorin erwehren, die ihr die Verwendung des Wortes „herbsteln“ ausreden möchte, da es bundesdeutschen Leserinnen nicht gebräuchlich sei – nicht türkisch und deutsch bilden hier die Gegensätze, sondern österreichisches und deutschländisches Deutsch. Auch Frauenthemen werden von den AutorInnen nicht automatisch im Spannungsfeld Migrantinnenkultur/österreichische Kultur betrachtet, wie Julya Rabinowich mit ihren Texten über verschiedene österreichische weibliche Milieus zeigt. Differenziert wird Auskunft zu komplizierten Fragen gegeben. Die sprachliche Genauigkeit, mit der diese SchriftstellerInnen sich und ihre Sprachen zu beschreiben vermögen, unterstützt uns dabei, nicht zu schnell zu urteilen. Dieses Buch trägt dazu bei, genauer hinzusehen.

ich zeig dir, wo die krebse überwintern. gespräche mit zugewanderten schriftstellerinnen und schriftstellern. Hg. von wiebke sievers, holger englerth und silke schwaiger. edition exil, Wien 2017 EUR 12.00