Das Irrlichtern großer Geister

Pola Oloixaracs Romandebüt besteht aus drei ineinander verwobenen Erzählsträngen: Die seltsame Liebesgeschichte der Außenseiter Kamtchowsky und Pabst handelt in der jüngsten Vergangenheit. Die beiden Nerds haben einen ausgeprägten Hang zu Exzessen, den sie in der Club- und Hackerszene von Buenos Aires ausleben. Auf einem dieser soziologisch-erotisch motivierten Ausgänge gelangt Kamtchowsky zu zweifelhafter Berühmtheit, nachdem sie – benebelt von Partydrogen – auf einer Toilette vergewaltigt wird. Das Video des Vorfalls geht viral. Ebenfalls in der Gegenwart angesiedelt ist die Geschichte von Rosa Ostreech, der Ich-Erzählerin. Ihre Obsession ist Professor Collazo, ein altlinker Ex-Guerillakämpfer, den sie in sexueller und intellektueller Hinsicht erobern will. Sein Forschungsgebiet bildet den theoretischen Treibsand des Romans und den dritten Erzählstrang, der sich um den fiktiven niederländischen Anthropologen Johan van Vliet dreht. Dessen abstruse „Theorie der egoischen Übertragung“ ist – vereinfacht gesagt – ein Lobgesang auf das Gesetz des Dschungels. Die Protagonist*­innen des Romans setzen das auf unterschiedliche Weise um. Der Roman besticht vor allem durch den satirischen Ton und die Lust an der Provokation. Pola Oloixarac ist eine äußerst amüsante Abrechnung mit der „Philobohème“ gelungen.
Ute Fuith
Pola Oloixarac: Wilde Theorien. Aus dem argent. Span. von Matthias Strobel. 252 Seiten, Wagenbach, Berlin 2021 EUR 22,70