Der Tod ist schön

Henry ist irgendwie da und auch wieder nicht. Er beobachtet die Welt und seine Lieben aus einer seltsamen Zwischendimension. Er fliegt körperlos durch die Galaxien, die Vorgärten und seine eigenen Erinnerungen. Die Autorin Fee Katrin Kanzler lässt ihre Leser lange im Dunkeln darüber, ob Henry nun tot ist oder nicht, wie er in diesen seltsamen Zwischenzustand kam, und was das alles mit dem jungen Mädchen zu tun hat, das er traf, bevor sein Leben so aus den Fugen geriet. Das mysteriöse Mädchen heißt Joe, trägt lange Dreadlocks, Tattoos und Piercings und hat den verheirateten Bürotypen Henry ziemlich aus der Bahn geworfen. Das Besondere an diesem Buch ist nicht die Midlife-Crisis des Hauptcharakters Henry, sondern die wahnsinnig fein geschliffene Sprache von Fee Katrin Kanzler. Ihre Metaphern sind neu und ungewöhnlich, gehen jedes Mal auf, ihre Beobachtungen sind fein, detailliert und frei von Schreibklischees und Plattitüden, wie man sie sonst oft in Romanen findet, die sich als poetisch gerieren. Dieser Roman ist poetisch. Abgesehen davon ist er spannend und es fällt einem schwer, das Buch aus der Hand zu legen, bevor man erfahren hat, was mit Henry und Joe passiert ist. Am Ende wartet Kanzler dann noch mit einem gut inszenierten Plot-Twist auf. Absolute Leseempfehlung für alle, die Wert auf eine spannende Story legen, die auch literarisch was zu bieten hat. LH

Fee Katrin Kanzler: Sterben lernen. 192 Seiten, Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt / M. 2016 EUR 19,90