Feministin-Werdung via #metoo

Die Kolumnensammlung von Jagoda Marinić widmet sich den gesellschaftlichen Veränderungen ausgehend von #metoo, die sie als die „wichtigste feministische Debatte seit Jahrzehnten“ sieht. Wertvoll darin ist die Erzählung ihres Meinungswandels, wie sie #metoo zuerst als „Hashtag-Justiz“ verurteilte und warum sie dies heute zurücknimmt – nämlich explizit als Ausdruck ihres eigenen „Misstrauens“ Frauen gegenüber. Marinić plädiert für das Gespräch (auch mit Männern) und die Annäherung, neue Geschlechterbilder, für neue Heldinnen (Sheroes) und Helden, ein Sprechen über Freiheit, unsere Wunschwelt, Internationalismus und die Verknüpfung von Feminismus mit ökonomischen Zusammenhängen. So weit – so un-neu, jedoch „Deutschland forscht und handelt Positionen aus, handelt aber nicht.“ An anderen Stellen wird deutlicher, dass dieses Subjekt „Deutschland“ hauptsächlich weiße, deutsche, akademische Feministinnen sind, gegen die sich die Autorin wendet. Und die scheinbar nicht handeln. Marinić widersteht Homogenisierungen häufig und fordert kämpferisch zum Aushalten von Ambivalenzen, zu Differenzierung sowie Präzisierung auf. Ein etwas tieferer Einblick in die Heterogenität historischer und aktueller feministischer Felder – aktivistischer, künstlerischer, akademischer u.a. – hätte allerdings ihrem offensichtlichen Misstrauen gegenüber anderen Feministinnen auch gut getan. Dabei hätte sie noch ganz andere Heldinnen als Michelle Obama und Sheryl Sandberg finden können.
Meike Lauggas
Jagoda Marinić: Sheroes. Neue Held*innen braucht das Land. 126 Seiten, S. Fischer, Frankfurt/M. 2019 EUR 12,40