Frauen in der Kommunistischen Internationale
Ein zentrales Moment der Geschichte des 20. Jahrhunderts ist der Kommunismus. Die Komintern (1919–1943) unterstützte mit ihrem Einsatz für den Marxismus antiimperialistische und antikoloniale Kämpfe. Konferenzprotokolle der Komintern wurden von wissenschaftlicher Seite mehrfach untersucht. Die Historikerin Brigitte Studer beschäftigt sich hingegen mit der Funktionsfähigkeit und den Konfliktzonen der sozialen internationalen Netzwerke und räumt den unterschiedlichen weiblichen Mitgliedern eine sichtbare Rolle ein, die bisher in der Forschung vernachlässigt wurde. Frauen wurden zwar prinzipiell als gleichberechtigte Mitglieder in der Komintern aufgenommen, allerdings gern als Ehefrauen ihren Partnern subsumiert. Alleinstehende Frauen nahm man eher als eigenständige Subjekte wahr. Allgemein erhielten sie von der Führung Aufgaben, die technischer Natur waren, wie beispielsweise Protokollführung, Spionagedienste, Gefangenenunterstützung und Verbindungsarbeit zwischen kommunistischen Gruppen. Nicht nur die ökonomische Unabhängigkeit sondern auch die sexuelle Autonomie weg von der bürgerlichen Ehe als Zwangsinstitution und eine kollektive Erziehung der Kinder forderten und lebten sie. Spuren einer klassischen Geschlechterdifferenzierung sind jedoch auch in der Komintern sichtbar wie beispielsweise im Spanischen Bürgerkrieg. Ein unmittelbarer Einsatz für Frauen in den Brigaden war nicht möglich. Sie übernahmen Tätigkeiten im Lazarettbereich oder in der Informationsbereitstellung. Kritisch wird selbstverständlich von Studer die Zeit der Massenverhaftungen durch die Anordnung der Kominternführung in der Sowjetunion gesehen, der viele Mitglieder zum Opfer fielen. Spannend, zahlreiche Anregungen, um weiter zu forschen.
ML
Brigitte Studer: Reisende der Weltrevolution. Eine Globalgeschichte der Kommunistischen Internationale. 618 Seiten, Suhrkamp, Berlin 2021 EUR 30,90