Fressen und gefressen werden

Marco ist ein einsamer Mann, nachdem ihn seine Frau nach dem plötzlichen Tod des gemeinsamen Kindes verlassen hat. Er arbeitet auf einem Schlachthof, damit er für die Pflege seines Vaters aufkommen kann. Im Roman von Agustina Bazterrica sind die Tiere weltweit von einem Virus befallen, der sie für die Menschen ungenießbar macht. Der Fleischkonsum wird verboten, die Tierwelt sukzessive ausgerottet und stattdessen werden Menschen für den Verzehr gezüchtet. Die Autorin schildert bis ins Detail wie reale Schlachtungen vor sich gehen: die Anlieferung, die Ruhigstellung (Stress schadet dem Fleisch), das Betäuben, Köpfen und Ausbluten. Obwohl tägliche Routine, fällt es Marco zusehends schwerer, seine Arbeit, all dieses Grauen der zu schlachtenden Stücke (wie die Menschen umschrieben werden), zu verrichten. Aufmerksam beobachtet er die zusehende Verrohung der Gesellschaft und leidet unter dem Zwiespalt zwischen seiner Arbeit und seinem größer werdenden Bedürfnis nach Empathie und Zuwendung. Agustina Bazterrica ist eine Vertreterin einer neuen Generation von Erzählerinnen aus Argentinien, die nicht im magisch-realistischen Duktus schreibt, sondern eher der phantastischen Literatur zugewandt, bizarre und grausame Realitäten, durchaus mit grotesken Einschüben und zum Schreien komisch, brillant zu beschreiben weiß. Die Fleischindustrie als Allegorie für den Kapitalismus, in dem sich Menschen gegenseitig fressen. Ein grausam-schönes Meisterwerk!

Elisabeth Streit

Agustina Bazterrica: Wie die Schweine. Aus dem arg. Span. von Matthias Strobel, 236 Seiten, Suhrkamp, Berlin 2020 EUR 16,50