Glück des Wiederfindens

Der Essay ist für Ursula Krechel, Preisträgerin des Deutschen Buchpreises, ein „Raum für ein weit ausgreifendes Denken, in dem Platz ist für nicht-zu-Ende-Gedachtes“ und riskantes Denken. Und den nimmt sie sich 19 Mal und widmet sich höchst unterschiedlich dem kreativen Schaffen von „Pionierinnen“. Sie beginnt beim Lebenswerk von Christine de Pizan im 15. Jahrhundert, der „Architektin der Vernunft“, die „mit der Spitzhacke ihres Verstandes (gräbt; Anm.) … sich ein selbstbewusstes Fundament (baut; Anm.)“. Lebensdaten fließen in diese 6- bis 24-seitigen Texte über Schreibende und eine Malerin ein, mal werden diese im Werk kontextualisiert, mal denkt die Schriftstellerin und Lyrikerin Krechel über die Bedingungen ihres eigenen Schreibens angesichts des Werkes von Elisabeth Langgässer nach. Karoline von Günderrodes Werk wird von ihr „exhumiert“ gegen die falsche Interpretation der Nachwelt, die sich aus ihrem tragischen Tod speisen, und jede – so Krechel – braucht den Mut, „ängstliche Männerbedenklichkeiten hinter sich zu lassen“. In „Dame, Girl und Frau“ zeichnet sie die Landschaft der Literatinnen Berlins um 1900 und was nach 1945 verloren gegangen war. „Davon erholte sich die Literatur der Frauen nur langsam.“ Vicky Baum, Charlotte Wolff, Christa Reinig, Friederike Mayröcker, Irene Brin, Bettina von Arnim, Anna Louisa Karsch, Annette von Droste-Hülshoff, Emmy Ball-Hennings, Hannah Höch, Ruth Landshoff-Yorck, Irmgard Keun, Ingeborg Bachmann, Elisabeth Borchers und Elke Erb erfahren gekonnte Würdigungen ohne „Sack voller Zitate“ (R. Luxemburg), ohne die „Grenzen der Intimität zu überschreiten“.
 mel
Ursula Krechel: Stark und leise. Pionierinnen. 343 Seiten, Jung und Jung, Salzburg-Wien 2015 EUR 25,00