Natsukashii  

Inwieweit stimmt Erinnerung mit der Realität überein? Sechzehn Jahre ohne Japan. Mit einem französischen Fernsehteam im Schlepp macht sich Amélie Nothomb auf den Weg zurück an die Orte, die nach Kindsein schmecken. Das große Beben von Kobe 1995 hat kaum etwas unbeschadet gelassen. In den Begegnungen mit dem wenigen kaum Veränderten – der Kindergarten, die Abflussrinnen in den Straßen, ein Grab unter Kirschblüten  – erwacht Natsukashii, der Moment, in dem eine schöne Erinnerung wieder auftaucht und einen erfreut. Für die traurige Wehmut gibt es im Japanischen keinen Begriff, und doch manifestiert sie sich im Wiedersehen mit der Amme Nishio-san, weil hier ja doch nur ein Abschied nachgeholt werden kann. Das Wiedersehen mit dem japanischen Verlobten setzt die Auseinandersetzung mit der selektiven und verfremdeten Erinnerung fort und mündet letztlich in der Erkenntnis, dass die eigene Rekonstruktion der Vergangenheit eben die eigene bleibt.  baw

Amélie Nothomb: Eine heitere Wehmut.  Aus dem Französischen von Brigitte Große. 160 Seiten. Diogenes, Zürich 2015  EUR  20,50