No means no

Das Einverständnis: politischer wie facettenreicher Begriff – das macht uns Fraisse in ihrem neuen Buch klar. Aufgrund der Tatsache, dass der Akt des Einwilligens nicht nur als eine Mischung aus Begehren und Willen zum intimsten Privatleben gehört, sondern – als gewichtiges Argument für das Tragen des Schleiers und den Beruf der Prostituierten – bis in den öffentlichen Raum reicht, seziert sie die vielfältigen existentiellen und politischen, ideologischen und philosophischen Facetten dieses Begriffs und rollt seine Geschichte auf: Ehe-, Scheidungs-, Gesellschaftsvertrag; Verführung, Unterwerfung, Vergewaltigung; (Zwangs-) Prostitution: Vorzüge, Mängel, Ambitionen und Elend des Einverständnisses.
Und sie kommt zu dem Schluss, diese Komplexität verunmögliche die Definition einer guten Ausübung von Einverständnis, die nicht nur liberal (individuelle Freiheit) sondern auch radikal (gesellschaftlicher konsensueller Machtaustausch) wäre. Weil unseren Sexualitäten/sexueller Praxis das Machtverhältnis inhärent ist, es – historisch – nicht immer zugelassen wurde bzw. wird, weil es nicht auf Sprache reduziert werden kann (ohne Körper kein Einverständnis), könne das Einverständnis kein politisches Argument ersetzen. Was bleibt, schreibt sie dann im Nachtrag zur aktuellen Debatte, ist das „Nein“: Verweigerung des Einverständnisses, Ablehnung, Dissens, Widerspruch, Opposition zur Geschlechterhierarchie als einen von Frauen* besetzten Ort zu er-/finden – ein wichtiger, erhellender, diskussionswürdiger Beitrag zur feministischen Debatte und Entwicklung neuer Praktiken.

Karin Reitter

Geneviève Fraisse: Einverständnis. Vom Wert eines politischen Begriffs. Aus dem Franz. von Brita Pohl. 180 Seiten, Turia und Kant, Wien 2018, EUR 22,00