Psychologische Schmankerln

Absurd, tragisch und humorvoll – das alles sind die kurzen Geschichten der sonst vor allem als Krimi- und Romanautorin bekannten Patricia Highsmith. Zum Teil erstmals in Buchform veröffentlicht, geben uns die Erzählungen dieser Sammlung einen Einblick in das frühe Schaffen der englischsprachigen Schriftstellerin. Ihre Protagonistinnen haben mit unerfüllter Liebe, Einsamkeit oder Entfremdung zu kämpfen und entwickeln ob dieser Gefühlszustände seltsame Obsessionen: Ein Banker beginnt Schnecken zu züchten, bis diese seine gesamte Wohnung bevölkern; eine junge Hausangestellte plant, das Haus ihrer Arbeitgeberinnen anzuzünden, um anschließend als Heldin deren Kinder retten zu können; ein von seiner Geliebten enttäuschter Mann stiehlt und beantwortet heimlich die Briefe seines Nachbarn, um über seinen eigenen Herzschmerz hinwegzukommen… So ungewöhnlich die Handlungen der Figuren auch sein mögen, sie erscheinen stets nachvollziehbar. Highsmith stellt das Innenleben der Figuren in den Mittelpunkt ihrer Stories und beweist ein feines Gespür für deren psychische Entwicklungen, ohne diese moralisch zu bewerten. Ihre Beobachtungsgabe und der unaufgeregte, jedoch packende Schreibstil machen dieses hübsch gebundene Buch zur kurzweiligen Lektüre, die wunderbar zwischen erheiternden und nachdenklich stimmenden Momenten oszilliert.
 ReSt
Patricia Highsmith: Ladies. Frühe Stories. Aus dem amerik. Engl. von Melanie Walz, Dirk van Gunsteren und pociao. 310 Seiten, Diogenes, Zürich 2020, EUR 20,00