Sehen und gesehen werden

Trude Fleischmann, Lotte Jacobi, Lisette Model, Tina Modotti – um nur ein paar zu nennen – waren Fotografinnen, die mit ihrer Arbeit die Fotografie des 20. Jahrhunderts entscheidend mitgeprägt haben. Ob Mode, Tanz, Portrait- oder dokumentarische Fotografie, der exquisit gestaltete Bildband präsentiert die über 100-jährige Geschichte von Frauen als Künstlerinnen und Fotografinnen in eindrucksvoller Weise. In erotischer, intimer, nachdenklicher, komischer und selbstbestimmter Weise gewähren uns die „Modelle“ durch den Blick der Fotografinnen Einblick in ihr Leben, ihre Körper und ihre Kunst. Sorgfalt und Präzision zeichnet die Arbeit jeder einzelnen Fotografin aus und genau das macht es schwer, sich von der Betrachtung der Fotos zu lösen. „Lässt man sich darauf ein, die Fotografie von Frauen im 20. Jahrhundert als eine Geschichte der Vertrautheit zu erzählen, fällt noch ein weiteres Beispiel der Widerspiegelung auf, das gerne von Fotografinnen thematisiert wird. Fotografinnen bilden andere Fotografinnen ab und versuchen dabei, das künstlerische Anliegen der Kollegin in die eigene visuelle Sprache umzusetzen.“ (Bronfen, S. 10). Als zusätzliches Plus finden sich Kurzbiografien aller Fotografinnen und der Portraitierten am Ende des Bandes wieder. Elisabeth Bronfens Begleittext funktioniert wie ein Wegweiser durch Motive, Blicke und Gesten und macht nach der Lektüre Lust, unverzüglich mit dem Schauen und Entdecken wieder von vorne zu beginnen.

Elisabeth Streit

Lothar Schirmer, Elisabeth Bronfen: Frauen sehen Frauen. Eine Bildgeschichte der Frauen-Photographie im 19. und 20. Jahrhundert von Julia Margaret Cameron bis Inez van Lamsweerde. 279 Seiten, Schirmer Mosel, München 2020 EUR 41,00