Sie weiß noch, wie sie heißt!

Ähnlich wie in ihrem vielfach ausgezeichneten Roman Wovon wir träumten setzt die US-amerikanische Autorin Julie Otsuka in ihrem neuen Roman stilistisch Aufzählungen ein. Ein Schwimmbad wird als Drehscheibe für seine Schicksalsgemeinschaft herangezogen, um zu verdeutlichen, dass menschliche Bedürfnisse leicht abstrakt auf einen Nenner zu bringen sind. Dieser Nenner erschöpft sich, als im Schwimmbad ein Riss im Boden bemerkt wird und das Bad daraufhin geschlossen wird. Der Riss kann als Metapher für die Brüche in unserem Leben gelesen werden, aber auch für missglückte Beziehungen oder unsere eigene persönliche Gespaltenheit. Anhand von Alice, die eine der Besucher:innen im Bad ist, wird ein menschlich endliches Schicksal vorgestellt. Alice ist durch eine fortschreitende Demenzkrankheit beeinträchtigt und wird von ihrer Familie schließlich in einem Pflegeheim untergebracht. Durch die Reflexionsbrille von Alice’ Tochter gesehen, wird Alice‘ fortschreitende Krankheit kommentiert, ebenso werden Erinnerungen aus der gemeinsamen Mutter-Tochter Beziehung wach. Es ist eine berührende Geschichte, in der kritisch zu lesen ist, wie in einer Gesellschaft mit vulnerablen Menschen umgegangen wird. Die Ängste vor Alter und Tod werden schonungslos ausgebreitet. Es gibt offenbar noch sehr viel Handlungsbedarf, um erkrankte Menschen vor einer gesellschaftlichen Atomisierung im Alter zu bewahren. Interessant!
ML
Julie Otsuka: Solange wir schwimmen. Aus dem amerik. Engl. von Katja Scholtz. 156 Seiten, Mare Verlag, Hamburg 2023 EUR 23,50