Traumatische Sogwirkung

Es ist vermutlich das erste Buch der deutschen Autorin. Die Juristin, Mediatorin und angehende Psychotherapeutin schildert in drei Kurzgeschichten Begegnungen zwischen zwei Menschen und ihre lang ersehnten, jedoch bislang nicht für möglich gehaltenen Empfindungen, deren Intensität durch selbst auferlegte Grenzen stets gezügelt wird. Auf der dramaturgischen Ebene kollidieren gegensätzliche Lebensrealitäten mit obsessiver Anziehung. Naiv und verklemmt, sprunghaft und ungeschickt sehen sich die Protagonistinnen ständig nach geltenden Normen um, ohne eigene Definition von dem, was sie sich selbst erlauben wollen. Dem gegenüber stehen jene Textpassagen, die durch ihre Direktheit und Befreitheit überzeugen, ehe die Lesenden durch eine der erzählerischen Unausgereiftheiten wieder aus dem Lesefluss gerissen werden. Stereotypen, Spezifika, die nicht viel erzählen, sowie stilistische Schwächen begleiten die Leser*innen zu erstens, einem abrupten, zweitens, einem sanften und drittens, einem offenen Ende. Die Autorin selbst ist mit biographischen Merkmalen übermäßig präsent, wodurch sie sich zwischen den Text und die Lesenden stellt, als wolle sie die Kontrolle über das Geschriebene nicht abgeben. So macht der gesamte Text das, was er erzählt: Nur nicht loslassen. Wer sich davon nicht irritieren lassen will, sollte sich einlassen auf die ersten Gehversuche der Autorin, denn: „Wenn du in einer Geschichte bist, kannst du sie nicht schreiben, sagt mein Schriftstellerfreund. Erst danach, wenn sie vorbei ist.“
anita inzinger
Andrea Landfried: Pasteurgasse 4, täglich. 187 Seiten, Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt/M. 2023 EUR 22,70