Erinnerungsscherben

Von 1964 bis 1985 war in Brasilien eine Militärdiktatur, der nun 65-jährige pensionierte Schuldirektor Gustavo rollt mittels eines inneren Monologs assoziativ diese Geschichte neuerlich auf. Er wurde 1970 von den Militärs verhaftet und gefoltert, sein bester Freund Armando wurde ermordet und seine nach Paris exilierte Frau Eliana starb in dieser verhängnisvollen Zeit an einer Lungenentzündung. Aktueller Auslöser für seine Gedanken ist eine junge Wissenschaftlerin, die über diese Zeit forscht und gern über ein Interview mit Gustavo als Repressionsopfer mehr Authentizität in ihre Studie einfließen lassen möchte. Soweit die Rahmenhandlung des Buches, die in Gustavos nicht linearen Gedankensplittern seiner Erfahrungen verschwindet und auftaucht. Es liest sich wie eine mosaikförmige Lebensgeschichte mit philosophischen und moralischen Denkanstößen. Schuld und Verantwortung sind dabei prägend, es wird deutlich, dass eine Generation junger Leute mit alternativen Lebensvorstellungen gebrochen wurde. Denn ein Anknüpfen an die Unbeschwertheit ihrer Jugend war nach den traumatisierenden Erfahrungen im Foltergefängnis und dem Wissen über die Toten nicht mehr möglich. Der Monolog beweist, dass Zweifel als Werkzeug zur Wahrheitsfindung wesentlich sind, um sich der Komplexität der Geschichte anzunähern. Empfehlenswert!
 ML
Beatriz Bracher: Die Verdächtigung. Roman. Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Maria Hummitzsch. 174 Seiten, Assoziation A Verlag, Hamburg 2015 EUR 18,50