Albor sehen und schnell weggehen

Ein kleines Städtchen in der Nähe des Flusses umgeben von Wald und Hügelland, mit einer heruntergekommenen Kirche am Hauptplatz – darin sechs Heiligenstatuen, alfabetisch von A-C und C-A aufgereiht, darunter die heilige Agatha, deren Brüste abgeschnitten wurden – eine süße Bäckerei namens Minni Vergini erinnert heute noch daran. In diese Kirche zieht Pastora ein, die Frau mit den langen roten Haaren (Achtung: Hexenverdacht!), vielleicht ist sie aber auch ein märchenhaftes Wasserwesen? Die Ortsbevölkerung schäumt, das ist doch unerhört, aber sie darf bleiben, weil es ein Gesetz gibt, dass bleiben darf, wer das Gebäude instand hält. Pastora bleibt, legt einen Garten an, lebt von Geschenken und Mäuseohren, ein Kätzchen und zwei Schafe gesellen sich zu ihr. Die einzigen, die mit Pastora gut auskommen, sind Valerian, der seit 21 Jahren sein Zimmer nicht mehr verlassen hat und mit Pastora aus der Entfernung kommuniziert, der kleine Jakob, die Huren des Ortes und Almudena, die unterdrückte Frau des Apothekers. Die meisten der ehrbaren Bürger und Bürgerinnen der Stadt hingegen bekommen eine Krise, und wie auch schon zuvor fällt ihnen nur ein Weg ein, damit umzugehen.
Eine Geschichte wie ein böses Märchen, brutal und unbelehrbar, aber auch voller Lebenskraft und Widerstand. Ein Buch, das durch Handlung und Stil schnell in den Bann schlägt, und das lange nachhallt. gam
Marlen Schachinger: Albors Asche. Roman. 264 Seiten, Otto Müller Verlag, Salzburg 2015 EUR 19,00