Haushalt und Rumpelkammer

Der neue Roman der Autorin, der nach Jahreszeiten geordnet ist, lässt sich in drei Erzählebenen einteilen. Zum einen geht es im Hauptstrang des Romans um den alternden Schriftsteller Caspar Waidegger und sein Beziehungsverhältnis zu seiner jungen Geliebten Laura. „Altersunterschied ist nicht so harmlos, er bringt die jüngere Partie um die eigene Lebenserfahrung“, sowie um seine Sorge um seine körperlich und geistig beeinträchtigte Tochter Maria, der er zu wenig Lebenszeit widmet. Bei der zweiten Ebene geht es um die Phantasie seiner Tochter, die diese malerisch zum Ausdruck bringt. Verschiedenste Engel beobachten das Leben der Menschen und versuchen zu verstehen, warum Menschen zu bestimmten Handlungen sowohl positiv als auch negativ befähigt werden. Die dritte Ordnungsebene bindet das neue Romanprojekt des Caspar Waidegger ein, wo es um eine Schauspielerin im Nationalsozialismus geht, deren Tochter Opfer der Nazieuthanasie wird. Letztlich verweist dieses Romanprojekt auf die eigene Familiengeschichte des fiktiven Autors. Gekonnt wird die gedankliche Welt der unterschiedlichen ProtagonistInnen dargestellt. Man achte auch auf den immer wiederkehrenden philosophierenden Radfahrer. Es fehlt der Leserin dennoch an einer stärkeren Subjektbindung, die eine Botschaft vermitteln könnte. Das gebrochene Individuum scheitert an der eigenen Oberflächlichkeit. Kurz eine kulturpessimistische misanthropische Betrachtungsweise über die Evolution, die die Form des Romans über den Inhalt stellt. ML

Olga Martynova: Der Engelherd. 362 Seiten, S. Fischer, Frankfurt/M. 2016 EUR 23,70