Editorial

Liebe Leser*innen!

Klimakrise, Korruptionsgeschichten und Kriege, dazu Petitionen gegen gendergerechte Sprache und absurde Demonstrationen gegen Gender Diversity… da hilft ab und zu nur der Griff nach einem guten Buch und einem kühlen Getränk im Schatten, um sich in andere Welten zu versetzen. Die übrigens nicht weniger real sind, bloß eben ganz anders, als wir sie hier erleben. Oder vielleicht doch nicht so anders?

In ihrem so brillanten wie herausfordernden Roman Glory schildert Noviolet Bulawayo die Dynamik eines postkolonialen afrikanischen Staates. Ein erzählerischer Sog entsteht aus der Darstellung tragikomisch neoliberaler Selbstverständlichkeiten, unsäglich grausamer Kämpfe und der Verunglimpfung demokratischer Bestrebungen. Ein machtvolles spirituelles Erbe präkolonialer Zeiten steht dabei der Gehirnwäsche durch christliche Prediger gegenüber. Die Protagonist : innen leben in unterschiedlichen Tierkörpern – Ziegen,Pferde, Hunde, Schafe, Gänse… aber das täuscht in keiner Weise über densezierenden Blick ihrer Machtanalyse hinweg. Mögen die Machenschaften von Politik und Medien auf den ersten Blick übertrieben wirken, so bieten sie docherschreckend vieles an Wiedererkennbarkeit auch in ‚westlichen‘ Kontexten.

Einblicke in die Gesellschaftsdynamik Südkoreas erhält man in Cho Nam Joos Miss Kim weiß Bescheid, in dem acht Frauen unterschiedlicher Altersstufen und Hintergründe porträtiert werden. Im Text vermittelt sich der Druck, der im südkoreanischen Mix aus brutalem Kapitalismus und konfuzianischem Patriarchat entsteht, sobald man sich als Frau durchsetzen und selbstbestimmt leben will. Das Buch zeigt aber auch, dass sich in unserer Gesellschaft viele Parallelen zu diesen Missständen finden.

Wiederzuentdecken ist Avantgardistin Nancy Cunard in einer rasant erzählten Biografie von Unda Hörner. Die britische Millionärstochter war nicht nur eine modische, sondern auch politische Ikone. Früh zu afrikanischem Schmuck und Masken hingezogen, engagierte sie sich gegen Faschismus und Rassismus. Sie kannte die Surrealismus-Szene und bekannte sich öffentlich zu ihrem schwarzen Freund, einem Jazzpianisten. Das Buch erzählt von einem radikalen Leben voller Engagement, Einsamkeit und Rebellion gegen ein traditionelles Rollenbild.

Wer sich mit Arbeitsbedingungen in Spitälern beschäftigen möchte, sollte unbedingt den neuen Roman von Elena Messinger Schmerzambulanz lesen. Auch Birgit Birnbachers Roman Wovon wir leben trägt dazu bei, den verantwortungsvollen Aufgabenbereich des Pflegepersonals zu thematisieren. Dass psychologische Diagnostik in einem Flüchtlingsheim für Therapeut : innen desaströs sein kann, zeigt der Roman von Theresa Pleitner Über den Fluss.

Vorstellbar wird mit dem Debütroman von Mina Hava Für Seka welche Spuren Kriege hinterlassen. Spannend und interessant erzählt ist der Roman von Amanda Michalopoulou Warum ich meine beste Freundin tötete. Wahrlich hätte dieser Roman einen geeigneteren Titel verdient. Abschließend sind die Gedankenspiele über die Hoffnung von Esther Kinsky nach dem Lesen allzu düsterer Literatur zumindest eine Aufmunterung, auch wenn die Hoffnung trügerisch ist.

Mit diesen ausführlichen Lesetipps wünschen wir euch nun einen wunderbaren Sommer. Carpe diem. Gerade jetzt.

 

WeiberDiwan-Redaktion