Jüdische Remigrantinnen

Warum sind jüdische Flüchtlinge irgendwann nach 1945 in „das Land, das sie töten wollte“ remigriert? Dieser Frage spürt Andrea von Treuenfeld nach, indem sie 16 Frauen ihre Lebensgeschichten erzählen lässt. Die Frauen wurden zwischen 1915 und 1946 geboren, wuchsen in Berlin, Stettin oder Remscheid auf, bevor sie allein oder mit ihren Familien nach Shanghai, Palästina oder Südamerika fliehen mussten.

Jede Geschichte ist anders, und doch ist das Erlebte so ähnlich: Die Ausgrenzung und Repression in Deutschland, die Todesgefahr, vor, während, nach der Flucht, das Fremdsein in den neuen Ländern, die Armut, das Leben von Tag zu Tag, von Gelegenheit zu Gelegenheit und ein gewisses Erstaunen, dass das Leben in einer Art Banalität doch weitergeht – wenn möglich wieder zur Schule gehen, Liebes- und Vernunftehen, eigene Kinder, neue Berufe.

Die Gründe für die Rückkehr nach Deutschland waren genauso vielfältig wie die Lebensgeschichten, manchmal eher zufällige Gelegenheit, manchmal bewusster Plan, dann wieder die Verpflichtung, sich um andere zu kümmern. Auffallend ist, dass es meist die Ehemänner, manchmal die Väter waren, die den Impuls für die Rückkehr gaben. Die Frauen fügten sich mehr oder weniger gegen ihren Willen. Manche haben immer noch Fernweh nach den Ländern, in die sie emigriert waren, sehen diese als ihre Heimat. Andere wieder fühlen sich da wie dort nicht Zuhause. Den Erzählungen wurden sprachliche Eigenheiten gelassen, sie lesen sich wie gesprochene Sprache und sind deshalb sehr authentisch und geben ein Gefühl vom Charakter, den Einstellungen der Erzählerinnen. Ein berührendes, ein wichtiges Buch, das im Jahr, in dem die „Stunde Null“ gefeiert wird, einen weiteren Aspekt von dem aufzeigt, was danach geschah. ESt

Andrea von Treuenfeld: Zurück in das Land, das uns töten wollte. Jüdische Remigrantinnen erzählen ihr Leben. 272 Seiten, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2015  EUR 25,70