Transformation und Spiegelung
Alissa ist im ersten Teil die Mittelpunktfigur. Sie emigriert mit ihren Eltern und Zwillingsbruder Anton aus Russland nach Deutschland. Im Erwachsenenalter verschwindet ihr Bruder und sie macht sich auf die Suche. Sie taucht tief in die Istanbuler Subkultur ein. Sie lernt Katho, vormals Katharina aus Odessa kennen und auch aus Alissa wird Ali. Familiengeschichte, Rote Armee-Kämpfer, Schoah- und Perestroika-Geschädigte, Kindheit in Moskau, prekäre Lebensverhältnisse in den deutschen Auffanglagern, Ablehnung gegenüber der deutschen Konsumgesellschaft sind weitere Handlungsstränge. Im zweiten Teil wird Anton die Hauptperson. Er ist als bisexueller Kleingauner in der Istanbuler Unterwelt unterwegs, gerät in die Gezi-Park Proteste und rettet Agalja das Leben. Schließlich taucht Ali wieder auf, ohne Anton zu finden. Von der staatlichen Repression aufgrund des Militärputschversuches verfolgt, rettet sich Ali zu Onkel Kemal.
Der Debütroman von Salzmann ist auf der Shortliste des Deutschen Buchpreis 2017 nominiert. Es geht um sexuelle, kulturelle, sprachliche und politische Transformation. Äußere Gewalt ist bei den unterschiedlichen Identitätsbildungen an der Tagesordnung. Versuchte Selbstbestimmung nach außen wird als Widerstand gegenüber der vorgegebenen Ordnung erkennbar. Die verwendete Sprache ist einfallsreich kombiniert. Vieles bleibt der persönlichen Deutung überlassen. Der rote Faden benötigt verstärkte Aufmerksamkeit und Konzentration. Ein literarisches Potpourri! Anspruchsvoll!
ML
Sasha Marianna Salzmann: Außer sich. 366 Seiten, Suhrkamp, Berlin 2017 EUR 22,70