Transsein als Fest
Die einhundertachtundsiebzigjährige Tía Encarná ist wie eine Mutter für eine Gruppe von trans Sexarbeiterinnen*, die jede Nacht im Sarmiento Park in Córdoba ihr Geld verdienen. Sie sind speziell: eine von ihnen verwandelt sich sukzessive in einen Vogel, eine andere wird gelegentlich zur Werwölfin. Als sie eines Nachts ein Baby finden, mitnehmen und aufnehmen, lassen die Konsequenzen nicht lange auf sich warten: gesellschaftlich immer mehr geächtet, gerät das Gefüge ihrer Wahlfamilie kontinuierlich ins Wanken. Geschmückt mit Elementen des magischen Realismus erzählt Camila Sosa Villada eine sehr reale, harte Geschichte: vom Kampf ums (Über-)Leben, von Armut, von Gewalt und Chancenlosigkeit; von Trauer, Angst, Schmerz und Zorn. Doch vor allem erzählt sie von Zusammenhalt, Solidarität, Gemeinschaftlichkeit und auch Freude – ausgestoßen aus der Gesellschaft schaffen sich die prächtigen Schwestern ein Zuhause, in dem sie feiern können, wer sie sind und wie sie sind. Die Autorin schildert mit viel Einfühlungsvermögen, Poesie und Liebe die (teils autobiografische) Geschichte und liefert einen aufschlussreichen Einblick in die Situation von transgeschlechtlich lebenden Menschen in Argentinien. Aufrüttelnd, erschreckend und sehr berührend.
Maria Hörtner
Camila Sosa Villada: Im Park der prächtigen Schwestern. 220 Seiten, Suhrkamp, Berlin 2021 EUR 15,90